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Über das Hören unter Wasser

vom 18.07.2014, Autor: Florian Stamm

Wie ist es, unter Wasser zu hören? Haben Sie darüber einmal nachgedacht? Haben Sie in der Badewanne mal den Kopf unter Wasser gehalten und gelauscht? Was haben Sie gehört? Nichts? Dumpfes Rauschen? Haben Sie Geräusche lauter gehört als normal? Konnten Sie Gesagtes verstehen? Viele Fragen, die sich Menschen stellen können, wenn Sie über das Hören unter Wasser nachgrübeln. Und dann stellt man sich eine weitere Frage: Wie hören denn die Tiere, die ständig im Wasser leben?

Säugetiere unter Wasser

Beginnen wir mit unseren Näherverwandten, den im Wasser lebenden Säugetieren, wie Wal und Robbe. Der Gehörsinn ist für den Wal der wichtigste Sinn. Das liegt daran, dass sowohl der Sehsinn als auch das Riechsinn des Wals unter Wasser aufgrund der Trübung  der See nicht vollkommen zu nutzen sind. Außerdem tauchen Wale in der Regel zum Teil sehr tief, wodurch das Licht, was noch an der Oberfläche vorhanden ist, innerhalb kürzester Zeit völlig fehlt.

Ein einfaches Beispiel dazu: Haben Sie mal unter Wasser die Augen geöffnet ohne Schwimmbrille? Viel sieht man als Landsäugetier nicht. Wale haben deswegen auch sehr kleine Augen im Verhältnis zu ihrem Körper. Und die Nase eines Wals dient nicht als Riechorgan, sondern als reines Atmungsorgan. Der Hörsinn des Wals ist jedoch sehr präzise ausgeprägt. Schallwellen werden im Wasser ungefähr viermal schneller transportiert als in der Luft; es gibt einfach wesentlich weniger Absorptionsverluste als in der Luft. Hohe Frequenzen werden stärker absorbiert als Tiefe. Inzwischen wurde festgestellt, dass Wale auf sehr komplexe Weise kommunizieren. Sie „singen“ förmlich. Walgesänge können noch über 30 Kilometer, Schnalz- und Stöhnlaute sogar über 200 Kilometer wahrgenommen werden, was die sehr gute und verlustarme Schallleitfähigkeit des Wassers unterstreicht. Der Wal wurde im Laufe der Zeit sogar darauf spezialisiert, Wassergeräusche einer Richtung zuzuordnen. Landsäugetiere können dies unter Wasser jedoch nicht.

An Land taub

Die Ohren der Wale als Säugetierohren wurden dabei im Laufe der Evolution an das Leben unter Wasser angepasst. Die ersten Urwale hatten noch Ohren mit einer Ohrmuschel, Trommelfell und Gehörknochen. Spätere Wale waren wohl in der Lage, Schallwellen mit ihrem Schädel wahrzunehmen. Heute lebende  Wale können außerhalb des Wassers nicht mehr hören und deren Ohren wurden komplett an das Leben unter Wasser angepasst. Dabei haben die Walohren im Laufe der Evolution einen anderen physischen Aufbau erhalten als die Ohren der Landsäugetiere.

Das menschliche Gehör funktioniert unter Wasser nichtÜber sinkende Löffel

Ohren der Landsäugetiere, zu denen auch der Mensch zählt, haben große Löffel oder Ohrmuscheln; die Gehörknöchelchen sind mit dem Schädelknochen verbunden und diese können bei auftreffenden Schall nicht weit schwingen. Ohrmuscheln und Löffel würden zudem die perfekte hydrodynamische Spindelform der Wale erheblich stören.  Die Gehörknöchelchen der Wale sind nicht direkt mit deren Schädel verbunden, sondern sind mit Bindegewebe nur daran befestigt. Dadurch können Schallwellen die Gehörknöchelchen der Wale in Schwingungen versetzen, ohne dass der Schädelknochen die Bewegung von Hammer, Amboss und Steigbügel beeinflusst. Durch die tiefen und hohen Frequenzen im Ultra- und Infraschallbereich haben Wale kein Trommelfell, da jenes bei solch extrem hohen oder tiefen Tönen nicht mehr funktioniert und somit für die Wale unbrauchbar geworden ist.

Andere Wassersäugetiere sind die Robben. Ihre Ohren sind ähnlich aufgebaut wie die der Wale, mit freischwingenden Gehörknochen. Einige Robben verfügen zwar noch über verkümmerte Ohrmuschelreste, diese sind aber sehr klein und können eingeklappt werden, damit sie beim Schwimmen nicht stören, da auch die Robben Spindel- oder Torpedoförmig aus hydrodynamischen Gründen sind.

Wenn Fische lauschen

Fische haben weder eine Gehörschnecke, noch ein Trommelfell. Schallwellen werden auf das Skelett des Fisches übertragen und auf sogenannte „Gehörsteinchen“ übertragen, die sich in deren Innenohr befinden. Durch die Vibration werden Sinneshärchen angeregt. Einige Fischarten verstärken den Schall noch mit Ihrer Schwimmblase als Resonanzkörper.

Reptilien, wie die Meeresschildkröten, haben, um Hören zu können ebenfalls Trommelfelle und Gehörknöchelchen zum Innenohr. Allen Reptilien und auch fast allen anderen Tierklassen der Wirbeltiere fehlt jedoch die Cochlea, die Gehörschnecke, die ein typisches Merkmal der Säugetiere ist. Schlangen haben gar kein Gehör.

So wurde doch bisher jede Spezies an die Gegebenheiten ihres Lebensraumes von der Evolution angepasst und auch die Sinnesorgane wurden dementsprechend spezialisiert oder zurückgebildet. Fakt bleibt jedoch, dass das Gehör von Landsäugetieren wie dem Menschen nur unzureichend zum Hören unter Wasser ausgebildet ist, da nie eine evolutionsbedingte Notwenigkeit bestand.

 

Florian Stammflorian-stamm
Abiturient aus Grevenbroich
www.stamm-akustik.de

 

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