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Warum sind zwei Hörgeräte besser als eines

vom 24.06.2014, Autor: Andreas Speckert

Oft werde ich von meinen Kunden gefragt, warum die Menschen früher nur ein Hörgerät getragen haben und heute fast immer zwei.

Dafür gibt es mehrere Gründe.

1. Nicht-Wissen

Der Hauptgrund war sicherlich das Nicht-Wissen über die Funktionsweise des menschlichen Hörens und die Notwendigkeit von stereofonem (beidseitigem) Hören. Dies ist von großer Wichtigkeit, um das Sprachverstehen in akustisch schwierigen Situationen aufrecht zu erhalten. Trägt man nur ein Hörgerät, sind das Richtungshören und das räumliche Hören stark eingeschränkt. Ein Herausfiltern von Sprache im Lärm ist dann nahezu unmöglich.

Heute weiß man, dass jedes Ohr über ein eigenes Hörzentrum im Gehirn verfügt. Zwar tauschen beide Ohren Informationen auf dem Weg dorthin aus (Abgleich), doch kann jedes Ohr getrennt vom anderen seine Information verarbeiten. Dieses doppelte System ist auch eine Sicherheitsvorkehrung der Natur, falls eine Seite mal ausfällt. Dann ist das Hören zwar deutlich eingeschränkt, jedoch mit einem Ohr immer noch möglich.

hoergeraeteWird nur ein Ohr mit einem Hörsystem versorgt, obwohl beide Seiten schlecht hören, dann fokussiert das Gehirn auf die Seite, welche mehr Informationen vom Ohr erhält. In diesem Falle also auf die Seite mit Hörgerät. Die andere Seite ist akustisch unterversorgt und wird als „schlecht hörend“ wahrgenommen. Dies führt zu einem Abbau des Sprachverstehens des unversorgten Ohres, während das Ohr mit Hörsystem stimuliert und damit trainiert wird.

Aus diesem Grunde werden heute in fast allen Fällen Hörgeräte für beide Ohren angepasst. Neben der beidseitigen Stimulation der Hörzentren werden räumliches Hören und Richtungshören wieder deutlich verbessert.

Modernste Hörsysteme erreichen heute durch einen Abgleich beider Geräte per Funk eine Qualität des Hörens im Lärm, die früher undenkbar gewesen wäre. Geräte tauschen hierfür bis zu 21 mal pro Sekunde Informationen untereinander aus. Die Hörsysteme arbeiten im Verbund und können somit intelligent auf ihr akustisches Umfeld reagieren.

Jeder Hörgeräte-Hersteller hat hier seine eigene Technologie entwickelt. Gerade in diesem Bereich steckt noch weiteres Potential für zukünftige Hörgeräte-Entwicklungen.

Am Besten kann man übrigens den Abfall an Klangqualität beurteilen, wenn man im Selbstversuch einmal Musik über Kopfhörer hört. Achten Sie dabei auf das räumliche Klangbild des Gehörten. Nehmen Sie dann eine Seite des Kopfhörers vom Ohr weg: Alles fällt in sich zusammen. Der Klang bricht ein. Räumlichkeit verschwindet, die Zuordnung von Instrumenten fällt schwer und die Lautheit schwindet. Auch ein Anheben der Lautstärke am Abspielgerät führt zu keiner Besserung, ja eher zu einem Unbehagen.

 

2. Historische Entwicklung

Das mechanische Hörrohr und später das klobige Taschenhörgerät wurden immer nur für eine Seite eingesetzt. Grund dafür waren schlicht die umständliche Handhabung und die Grenzen der Technik. Auch die Brille fing mal als Monokel an! Erst die rasante technische Entwicklung führte zur Erfolgsgeschichte von Hörsystemen.

3. Anschaffungskosten

Für Gesundheit wurde früher weniger Geld ausgegeben. Zwei Hörgeräte kosten aber nun einmal mehr als eines, unabhängig davon, ob privat oder über die Krankenkasse erworben. Dies war sicherlich für den ein oder anderen Grund genug, sich nur ein Hörgerät zuzulegen.

4. Einstellung zu Hörgeräten

Nach über 20 Jahren im Beruf kann ich sagen, dass die Sorge meiner Kunden, mit einem Hörgerät gesehen zu werden, deutlich abgenommen hat. Heute tragen viele meiner Kunden ihre kleinen „Hörcomputer“ mit Stolz und zeigen sie gerne ihren Freunden und Verwandten. Ganz zu schweigen davon, dass die meisten Hörsysteme heutzutage so klein sind, dass sie fast vollständig in bzw. hinter den Ohren verschwinden.

Auch hier sind Parallelen zur Brille zu erkennen. Früher noch als Brillenschlange in der Schule gehänselt, trägt man heute die Brille als modisches Accessoire.

Ganz so weit sind wir zwar bei den Hörgeräten noch nicht. Doch durch die aktuell aufkommende Anbindung modernster Hörgeräte an Telefon, Fernseher, Handy und Mp3 Spieler ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die ersten Gut-Hörenden sich solch ein kleines Wunderwerk in die Ohren setzen wollen.

 

Andreas Speckert
Hörgeräte-Akustik-Meister aus Neustadt
www.hoergeraete-speckert.de