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Otoplastiken Drucken oder Gießen?

vom 04.09.2015, Autor: Marvin Buckow

Jeder Hörakustiker kennt sie und auch die meisten Hörgeräteträger haben sie auch schon gesehen: Eine Otoplastik, oft auch bekannt als Ohrstück. Der Akustiker (und auch jedes Otoplastiklabor) sieht in ihnen eine ausgesprochen vielseitige Möglichkeit, einem Hörgeschädigten eine ausgezeichnete Versorgung zu liefern.

Die meisten Kunden jedoch sehen das Ohrstück nur als klobiges Stück Plastik, welches mit Sicherheit im Ohr auffällt. Belassen wir diese Frage aber mal beim Akustiker und seinem Kunden und werfen einen genaueren Blick auf ebendieses klobige Stück Plastik und seine vielseitigen Möglichkeiten.

Es gibt zahlreiche Varianten, ein solches Ohrstück herzustellen. Vor allem mit der Erfindung des dreidimensionalen Drucks wuchs die Otoplastikherstellung um Einiges. Bevor es 3D-Drucker gab, wurden Otoplastiken in der Regel im Positiv-Negativ-Positiv Verfahren (kurz: PNP) gefertigt. Hierbei wird zuerst eine Abformung des Ohres genommen, mit deren Hilfe ein Negativ gefertigt wird. Dieses Negativ wird mit Acryl ausgegossen und unter Druck ausgehärtet. Der dabei entstandene Rohling wurde anschließend per Hand in die gewünschte Form gefräst, danach mit einem lichthärtenden Kunststoff lackiert und dem Kunden angepasst. Für die Herstellung des Negativs werden verschiendene Materialien, wie zum Beispiel Silikon, das organische Material Agar-Agar oder Gips verwendet. Auch bei dem Material des Rohlings gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, neben Acryl werden beispielsweise auch eine Reihe Thermoplaste und Silikone, selten auch Metalle wie Titan verwendet. Bei allen Materialien ist jedoch erforderlich, den gegossenen Rohling mit Hilfe von Fräsen und Bohren in Form zu bringen. Die Erstellung einer Otoplastik nimmt dabei, allein durch die Härtungszeit der verwendeten Materialien, bis zu einem halben Tag an Arbeit in Anspruch.

3-D-Druck als neuer Standard

Seit der Verwendung von 3D-Druck gibt es allerdings eine weitere Möglichkeit, Otoplastiken herzustellen. Diese beschreibt inzwischen den Standard der Otoplastikherstellung, denn inzwischen werden die meisten Otoplastiken im 3D-Druckverfahren hergestellt. Einer der Vorteile von gedruckten Otoplastiken ist der geringere Zeitaufwand. Zur Fertigung wird lediglich eine Abformung des Ohres benötigt, der Schritt der physischen Negativerstellung entfällt. Stattdessen wird die fertige Abformung digital eingescannt und kann am Computer bearbeitet werden. Dabei werden Form, Größe und andere Spezifikationen in einem Programm modelliert. Man bezeichnet dies als CAD (Computer Aided Design), also ein dreidimensionales Bearbeiten und Konstruieren der Otoplastik am PC. Das fertige Modell der Otoplastik wird nun an einen 3D-Drucker gesendet. Das meistverwendete Verfahren ist dabei das sogenannte Multi-Jet-Modelling (kurz: MJM), welches ähnlich einem Tintenstrahldrucker funktioniert. Dabei wird das Modell durch mehrere, linear angeordnete Düsen schichtweise aufgebaut. Der verwendete Werkstoff ist ein Fotopolymer, welches mit Hilfe von UV-Licht direkt nach dem Aufdrucken aushärtet. Die Größe der Tröpfchen, welche die Druckerdüsen erzeugen, ist so gering, dass Druckauflösungen von 450 dpi und mehr möglich sind. Die gedruckten Otoplastiken zeichnen sich also durch eine sehr hohe Präzision aus. Zudem sind solche 3D-Drucker sehr kompakt und können mit wenig Platzaufwand in einem Labor untergebracht werden. Die dabei verwendeten Fotopolymere sind allerdings etwas anfälliger gegen Risse oder Brüche. Außerdem ist das Nachbearbeiten gedruckter Ohrstücke aufwändiger, da das Material viel Feinstaub beim Fräsen erzeugt.

Fazit

Durch 3D-Druck ist es also möglich, kostengünstig und in großem Stil Ohrstücke herzustellen. Dies ist sehr lohnenswert für Otoplastiklabore, welche dank dieser Technik eine große Zahl von Aufträgen wesentlich schneller bearbeiten können. Eine Anschaffung von 3D-Druckern ist also, allein schon um auf dem Stand der Technik zu bleiben, ein Muss für Labore. Für den Akustiker lohnt sich ein solcher Drucker allerdings eher nicht, besonders wenn er die Ohrstücke in einem der Labors anfertigen lässt. Im Geschäft wird daher nach dem PNP-Verfahren gearbeitet, falls eine Otoplastik vor Ort hergestellt wird.

 

Marvin Buckowmarvin-buckow
Hörgeräte-Akustiker im Hörstudio Schirner in Hilden
www.hoerstudio-schirner.de