Startseite > Blog > Nahezu unsichtbare Hörgeräte: Von dicken und dünnen Schläuchen

Nahezu unsichtbare Hörgeräte: Von dicken und dünnen Schläuchen

vom 11.09.2014, Autor: Stefan Tiesing

Ein unsichtbares Hörgerät ist für viele schwerhörige Menschen etwas sehr begehreswertes. Der Wunsch nach unsichtbaren Hörlösungen geht zum Teil so weit, dass bewusst eine schlechtere Hörqualität in Kauf genommen wird, nur um noch weniger Sichtbarkeit zu erreichen. Die Hörgerätehersteller haben dieses Verbraucherverhalten registriert. Bereits vor einigen Jahrzehnten begann der Trend zur Miniaturisierung. Mit den neuen Möglichkeiten der Mikroelektronik waren immer kleinere Hörgeräteverstärker möglich und auf diese Weise schrumpften die Hörgeräte immer weiter.

Hörgerät mit DünnschlauchDünnschlauch-Hörgeräte auf dem Vormarsch

Vor einigen Jahren dann nahmen sich die Hersteller die Schlauchverbindungen vor. Der sogenannte Schallschlauch verbindet das Hörgerät mit dem Gehörgang. Meist endet er in einer Otoplastik, einem maßgefertigten Passstück. Um die Optik der Hörgeräte unauffälliger zu gestalten, verkleinerten die Hersteller die Schlauchverbindungen immer weiter. Mit optischem Erfolg: Moderne Hörgeräte mit Schallschläuchen sind kaum noch am Ohr zu erkennen. Die Schläuche sind hochtransparent und haben einen Außendurchmesser von nur noch knapp über einem Millimeter.

Hörgeräte mit Otosplastik und DickschlauchDie hohen Töne bleiben auf der Strecke

Doch die neue Unauffälligkeit hat auch ihre negativen Seiten. Wie so oft in der Hörgeräteakustik bedeutet unauffällig, das beim Klang Abschläge gemacht werden müssen. Der Grund ist ganz einfach: Durch den geringen Durchmesser wird der Schall durch den dünnen Schallschlauch regelrecht hindurch gequetscht. Das führt zu erheblichen Reibungsverlusten. Und als wäre der Verlust nicht schon problematisch genug, spielt er sich auch noch ausgerechnet in den hohen Frequenzen ab. Jenem Hochtonbereich also, der für die meisten Schwerhörigen besonders wichtig ist. Hörgeräte müssen im Hochtonbereich besonders leistungsstark und brillant klingen, um gute Sprachverständlichkeit zu ermöglichen. Besitzen sie einen Dünnschlauch, so ist der Hochtonbereich zum Teil mit Verlusten behaftet.

Exhörer-Hörgeräte haben einen ausgelagerten LautsprecherDen Hörgeräte-Lautsprecher auslagern: Ex-Hörer-Hörgeräte

Seit einiger Zeit hat sich wegen der Problematik der Dünschläuche eine andere Technologie etabliert: Die Exhörer-Hörgeräte. Die Konstrukteure haben sich dabei eines einfachen Tricks bedient: Sie nehmen den Lautsprecher des Hörgerätes einfach aus dem Gehäuse heraus und setzen ihn in den Gehörgang des Hörgeräteträgers. Auf diese Weise ist ein akustischer Schlauch völlig hinfällig. Stattdessen verläuft ein dünner Draht nahezu unsichtbar vom Gehäuse hinter dem Ohr zum Lautsprecher im Ohr. Der Gehörgang bleibt weitestgehend frei – im Gegensatz zum Im-Ohr-Hörgeräten, bei denen das Ohr von der Technik weitestgehend ausgefüllt wird.

[php_everywhere]

Empfindlicher, aber mit besserem Klang

Die neue Exhörer-Technologie bietet eine bessere Akustik als die Dünnschlauch-Hörgeräte, denn durch die Platzierung des Lautsprechers im Ohr ist der Übertragungsweg zum Trommelfell so kurz wie nur irgend möglich. Nachteil der Ex-Hörers ist seine größere technische Anfälligkeit: Das empfindliche Lautsprecher-Bauteil sitzt im Feuchtgebiet Ohr und kann durch Feuchtigkeit oder Ohrenschmalz beeinträchtigt werden. Außerdem kann das Verbindungskabel brechen. Beide Defekte lassen sich beseitigen, verursachen jedoch Kosten.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen: Moderne Hörgeräte sind deutlich kleiner geworden. Neue Dünnschlauchhörgeräte sind grazil und trotzdem robust, haben jedoch Einbußen in der Hochtonübertragung. Exhörer-Hörgeräte hingegen besitzen trotz unauffälliger Bauform einen exzellenten Klang. Sie sind jedoch deutlich empfindlicher, weil der Lautsprecher offen im Ohr sitzt.

Stefan Tiesing

Hörgeräte-Akustikmeister aus Ditzingen
www.hoerstudio.com