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Mit Hörgeräten ist Sprache in Gesellschaft schwer zu verstehen

vom 28.10.2015, Autor: Stefan Tiesing

Das kennen viele Hörgeräteträger: Der Hörakustiker hat besseres Hören in lärmvoller Umgebung versprochen, aber wenn es laut wird, stört der Lärm dennoch. Sind moderne Hörgeräte also doch nicht so gut, wie es die Werbung verspricht?

Die 100%-Lösung ist nicht immer optimal

Die Antwort ist nicht ganz so einfach, denn eigentlich müsste man „jein“ antworten. Technisch gesehen könnten moderne Hörsysteme theoretisch den Störlärm um einen Sprecher herum nahezu vollkommen eliminieren, wenn sich der Sprecher nahe genug am Zuhörer befindet. Praktisch führt das jedoch dazu, dass man sich abgeschlossen vorkommt. Der Klang wäre seltsam und außerdem müsste man dem Hörgerät die alleinige Entscheidung überlassen, wen man hören möchte und wen nicht. Man würde überhaupt nicht mehr mitbekommen, wenn man von der Seite angesprochen wird.

Aus diesem Grund werden die Richtmikrofontechnologien und die Lärmfilter in der Regel eher moderat eingesetzt: Störgeräusche werden gemindert, Sprache des Gegenüber wird so weit wie möglich erhalten. Die Lärmminderung erfolgt dabei in einem Maß, das noch einen natürlichen Klangeindruck ermöglicht. Das Motto ist also: So wenig wie möglich manipulieren!

Sperrangelweit offen hat auch Nachteile

Hinzu kommt, dass viele Menschen großen Wert darauf legen, dass neben dem Hörgerätesound auch noch natürliche Geräusche in das Ohr gelangen. Die Schirmchen und Otoplastiken wurden daher in jüngerer Vergangenheit relativ offen ausgeführt. Aktuelle Störlärmunterdrückungen können ihre ganze Leistungsfähigkeit jedoch erst dann ausspielen, wenn der Klang ausschließlich durch das Hörgerät läuft und nicht mehr durch Öffnungen daran vorbei. Heute ist beim Blick auf Sprachverständlichkeit im Lärm daher die Devise: So geschlossen wir möglich.

Lärm ist relativ: Wie hören die anderen?

Das Verstehen von Sprache in Gesellschaft kann für Menschen mit Hörverlust sehr schwierig sein

Ganz entscheiden für die Aussage „Trotz Hörgeräten ist der Lärm noch so laut“ ist die subjektive Wahrnehmung. Unser Tipp ist daher: Fragen Sie mal einen Menschen mit normalem Gehör in Ihrer Nähe, wie sie/er die Situation empfindet. In den allermeisten Fällen wird die Person Ihnen bestätigen: „Es ist brüllend laut und man versteht kein Wort mehr!“ Es ist nämlich sehr oft so, dass normalhörende Menschen kaum noch ein Wort verstehen, während Hörgeräteträger mit moderner Technologie noch mit etwas Anstrengung Gesprächen folgen können. Da jedoch der direkte Vergleich fehlt, nimmt man die subjektive Wahrnehmung und beschreibt sie, wie man sie erlebt: „Trotz Hörgerät lauter Lärm!“.

Nicht jeder will den Turbolader

Abschließend vielleicht noch eine allgemeine Einschätzung: Mit modernen Hörgeräten lässt sich bei leichten und mittleren Hörverlusten in den meisten Fällen ein Sprachverstehen im Lärm erreichen, welches dem Sprachverstehen von Normalhörenden in solchen Situationen überlegen ist. Allerdings muss man einschränkend ergänzen: Zum Teil werden solche sehr extrem klingenden Einstellungen aus Gründen des Hörkomforts etwas reduziert.

Zwei Tipps, wenn Sie mit modernen Hörgeräten das Gefühl haben, Lärm ist immer noch zu laut:

1.: Fragen Sie eine normale hörende Person in unmittelbarer Nähe nach ihrer Einschätzung. Unter Umständen versteht sie bereits schon nichts mehr, während Sie noch (angestrengt) zuhören können.

2.: Diskutieren Sie mit Ihrem Hörakustiker über die Balance zwischen Klangkomfort und Verstehschärfe. Unter Umständen sind Ihre Hörsysteme etwas weicher eingestellt, damit sie besser klingen. Gegebenenfalls wäre eine Einstellung mit mehr Sprachverständlichkeit zwar machbar, jedoch nicht so klangkomfortabel. Hier hilft Ihnen jeder hörPlus+ Akustiker gerne bei der Wahl der richtigen Balance.

Stefan Tiesing Stefan Tiesing
Hörgeräteakustik-Meister aus Ditzingen
www.hoerstudio.com