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Hörgeräteversorgung bei Kindern und Erwachsenen – was sind die Unterschiede

vom 24.02.2015, Autor: Andreas Wolter

In Deutschland wird in etwa jedes tausendste Kind mit einer Schwerhörigkeit geboren. Am dritten Tag nach der Geburt wird bei jedem Neugeborenen ein Hörtest gemacht, der feststellt, ob das Kind hört oder nicht. Damit ist gewährleistet, dass Kinder mit Hörminderung, wenn es möglich ist, schon mit einem halben Jahr Hörgeräte bekommen, damit sie Sprache hören können und sprechen lernen. Denn ein Kind, das nicht hört, kann auch nicht sprechen lernen. Und bis zum 3. Lebensjahr müssen die Hörbahnen, also die Nervenbahnen vom Ohr zu Gehirn, ausgebaut sein. Dies funktioniert aber nur, wenn die Informationen vom Ohr zum Gehirn geleitet werden und somit die Hörbahnen reifen (sich aufbauen).

Das Kind sollte alles hören

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Damit nun aber Hörbahnen in ausreichender Anzahl reifen, müssen alle Geräusche, die ein normalhörendes Ohr hört, auch bei dem schwerhörigen Kind im Gehirn ankommen. Das bedeutet, dass die Hörgeräte so laut eingestellt sein müssen, dass das Kind auch die leisesten Geräusche wahrnimmt. Es soll ja schließlich hören und verstehen lernen, was um es herum gesprochen wird. Für das Baby stellt die Lautstärke kein Problem dar, es hat ja noch keine Erfahrungen und keinen Vergleich, was wie laut ist und sein muss. Es nimmt die Geräusche freudig auf, wie sie kommen und lernt dabei Hören und Sprechen. Wir Hörgeräteakustiker stellen also die Lautstärke der Hörgeräte gleich auf 100% ein.

Will der ältere Mensch auch immer alles Hören?

Jetzt verhält es sich mit der altersbedingten Hörminderung (Altersschwerhörigkeit) aber so, dass das Gehör langsam, schleichend und in den ersten Jahren sogar unbemerkt schlechter wird. Unsere Erfahrung zeigt, dass die meisten Altersschwerhörigen tatsächlich die Schwerhörigkeit erst bemerken, wenn schon 30-40% an Gehör verloren gegangen ist. Und das hat sich bis dahin häufig über 5-10 Jahre hingezogen. Genug Zeit viele Geräusche des Alltags nicht mehr oder leiser zu hören und die Wichtigkeit damit zu vergessen. Ja, das Gehirn kann früher gewohnte Geräusche regelrecht vergessen. Diese vielen Geräusche (auch Sprache) im Alter wieder wahrzunehmen, oder wahrnehmen zu wollen ist eine echte Herausforderung für die jeweilige Person, vor allem wenn schon so viele Jahre schlechtes Hören ins Land gezogen sind.

Und hier beißt sich der Hund in den Schwanz: nur mit der richtigen Lautstärke kann Sprache richtig übertragen werden. Diese Lautstärke ist der altersschwerhörige Mensch aber nicht mehr gewohnt. Und das kann dann schnell zur Qual werden, weil es immer „zu laut“ sein wird. Denn es ist lauter, als es die Person über Jahre hinweg gewohnt war. Und dann hören wir Hörgeräteakustiker immer wieder: „ach, ich will doch gar nicht mehr alles Hören, aber ich will noch alles verstehen“. Leider geht das Eine nicht ohne das Andere.

Damit es aber nicht zur Tortur wird, gibt es die gleitende Anpassung und das Hörtraining. Wir Hörgeräteakustiker stellen bei den Kunden mit einer altersbedingten Schwerhörigkeit die Lautstärke der Hörgeräte immer nur so laut ein, dass es ein wenig mehr als angenehm ist. Also nicht wie bei einem Kind gleich auf 100%, sondern meist fangen wir bei 70% an. Mit dem Hörplus Hörtraining kann die betroffene Person dann das Hören und Verstehen langsam wieder erlernen und verbessern und wir stellen von Sitzung zu Sitzung die Lautstärke langsam höher, bis das für das persönliche Gehör optimale Sprachverstehen erreicht ist. Und dann klappt es auch wieder mit dem Verstehen bei Hintergrundgeräuschen.

 

 

Andreas Wolter
Hörgeräteakustik-Meister aus Friedrichshafen
www.hoerstudio-wolter.de